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„Spielerischer Anfang entwickelt Mut, führt selbst zum Erfinden – Entdecken.“ , Produzentengalerie Passau 2021

Einführungsrede zur Ausstellung

von Anne Brieger-Pollak

Dieses Zitat von Josef Albers, beschreibt wie ich finde sehr schön wie Simone Hamann arbeitet, was sich in allen ihren Serien wiederfindet und sie ausmacht: es beschreibt ihre Neugierde, ihre Kreativität mit der sie die vorherrschende Motiv- und Formkonstellationen in unterschiedlichen Varianten erprobt, seien es die bubbles, die strings, oder hier die aktuellen simultaneous.   

Simultaneous ist ein Teil einer aktuellen Serie. Hier ist die Gleichzeitigkeit einer Dynamik in die Fläche und in den Raum ein zentrales Thema, das aus der „Wechselwirkung von Farbe und Form entsteht. 

Ausgehend von einer universellen Grundform, die amorph mit zwei unterschiedlichen Ausformungen nicht mehr statisch ist, wird eine richtungsweisende Bewegung in der der Fläche suggeriert. An den Rändern der amorphen Grundform tauchen Fragmente anderer Formen auf. Es sind Varianten, die mal größer mal kleiner gedreht und gewendet, sich zur Gruppe verdichten und eine unfehlbare Präsenz auf der monochromen Fläche beanspruchen. 

Die Farbe der jeweiligen Formen erzielt eine prägnante räumliche Wirkung. So drängt ein strahlendes Gelb vor monochromer grüner Fläche stärker noch als die vor ihr schwebenden blauen Formen in den Vordergrund. Im Aufeinandertreffen der unterschiedlichen Farbqualitäten von warmer Nähe und unnahbarer Distanz entwickelt sie eine lebendige Dynamik im Vor und Zurück des Raums. 

Josef Albers, Bauhauslehrer der ersten Stunde und wichtiger Wegbereiter der seriellen Kunst, hat das folgendermaßen zusammengefasst:

„In visueller Wahrnehmung wird eine Farbe beinahe nie als das gesehen, was sie wirklich ist, das heißt, als das, was sie physikalisch ist. Dadurch wird die Farbe zum relativsten Mittel der Kunst.“ Er untersuchte die Wechselwirkung von quadratischen Farbflächen in seinen Bildern „Hommage to the Square“. Deutlich wird, dass der Betrachter Farbe an sich und im Zusammenspiel, je nach Umgebung völlig unterschiedlich wahrnimmt. Albers interessierte die von der Farbe ausgelöste optische Bewegung, ihre visuelle Interaktion, ihre Relativität und Instabilität im Prozess des Sehens. Und damit gelangt das vergleichende und reflektierende Betrachten, vor allem der seriellen Kunst in den Vordergrund. Sie ermöglicht dem Betrachter die Veränderungen der Wahrnehmung, den Prozess des Sehens zu erkennen. Legte Josef Albers den Fokus auf die Rezeption, so geht Simone Hamann noch einen Schritt weiter.

Die Serie – Die Variantenvielfalt der Einzelbilder 

Entsprechend dem Prinzip der Serie, den Varianten von Anordnung von Farbe und Form und den jeweiligen unterschiedlichen Bildenergien, entstehen im Kontext mit den benachbarten Bildern veränderte komplexe Bilddynamiken.  Die Einzelbilder treten leicht miteinander in Beziehung, nicht zuletzt aufgrund eines ähnlichen Farbspektrums. 

Dabei setzen sie ihre verblüffenden Energien frei. Für Simone Hamann ist sowohl die Anzahl und die Anordnung der Einzel-Bilder flexibel und unterliegt keinem festgelegten Prinzip.

Die Variationen des pars pro toto scheint unendlich vielfältig, die immer wieder die Energie und Dynamik eines Einzelbildes vor verändertem Kontext neu definiert. Darin besteht eine große Freiheit. 

Mit dem Postkarten-Buch bietet Simone Hamann eine aktive Rezeption ihrer seriellen Kunst an. Die einzelnen Bilder bzw. Postkarten können frei kombiniert werden. Das Austarieren der unterschiedlichen Energien der Einzelbilder, wie und welche Bilder der Betrachter zusammenstellt, bleibt ihm überlassen. Auch die Anzahl der Bilder einer für ihn stimmigen Serie ist dem Betrachter überlassen.

Damit ermöglicht Simone Hamann dem Rezipienten im spielerischen Umgang die Wirkung von Farben und Formen im eigenen subjektiven Empfinden zu erforschen. Indem sie sich auf keine einzelne, bestimmte Serie festlegt, sondern Möglichkeiten für einzelne Serien eröffnet verweist Simone Hamann auf die Komplexität und die Freiheit einer unendlichen Variantenvielfalt jeder Serie. 

So zeigt der Film eine andere Möglichkeit einer Serie, indem der Hintergrund des benachbarten Bildes sich um Farbnuancen verändert. Genauso gut könnte ein anderes Anordnungsprinzip gewählt werden.

Wie der amerikanische Künstler Mel Bochner, Kunsthistoriker und Konzeptkünstler, feststellte: »Serial order is a method, not a style.«(1) Das Prinzip der Serie ist für ihn kein stilistisches Phänomen sondern systematische Methode, für die ein vorher festgelegtes Konzept kennzeichnend ist. 

Grundsätzlich basiert eine Serie auf dem Prinzip der Wiederholung des Gleichen oder zumindest Ähnlichen. Sie besteht, wie es Uwe M. Schneede definiert hat, »aus gleichwertigen Elementen mit vorherrschenden Motiv- und Formkonstanten, in deren Rahmen Varianten durchgespielt werden.«(2) 

Eine weitere Variation der Simultaneous sind die kürzlich entstandenen camouflageartigen Bilder. Hier gibt es wieder die gleiche Grundform im Zusammenspiel mit einer weiteren Form-Variante.

Die neue Form hat eine dritte Ausformung und verhält sich aufgrund ihres abrundenden Umrisses weit weniger dynamisch in der Fläche. 

Gleichzeitig ist das Farbspektrum wesentlich reduzierter, fast auf eine einziges Farbspektrum reduziert. Das hat zur Folge, dass die räumliche Wirkung abnimmt und die Fläche zur Camouflage wird. Tarnung, Täuschung der Energien, die in den Formen stecken.

Dabei bekommen die Zwischenräume mehr Gewicht und beanspruchen mehr Eigenständigkeit. Die Leinwand wird mehr zur Fläche.

Doch durch ihre kreisförmige Gestalt betont sie an sich eine größere Räumlichkeit als die rechteckigen Bildflächen, auch mit den über die Ränder gezogenen Leinwänden. Man könnte fast behaupten die camouflageähnlichen Simultaneous werden zu körperlich gewordenen Bubbles, die vor der Wand eines Raumes manifest geworden sind. Hier ist der Bezug des Pars pro toto weniger relevant. Die Camouflage-Bilder sind versprengte Solitäre ähnliche den in der Fläche flüchtigen Bubbles. 

Diese Varianten der Simultaneous sind eine Momentaufnahme im Werk von Simone Hamann. Sie sind ein Teil ihrer seriellen Kunst, die per Definitionem durch Reihen, Wiederholungen und Variationen desselben Gegenstandes, Themas durch ein System von konstanten und variablen Elementen oder Prinzipien gekennzeichnet, ist. 

Für die Simultaneous ist es die Form, die in die Fläche ausgreift und gleichzeitig durch die farblichen Kontexte räumliche Tiefe erzielt. Den Camouflage-Bildern fehlt dieses kontrastreiche farbliche Zusammenspiel und dennoch ist es eine Variante dieser Serie, die mit den Grundbedingungen spielt, sie austestet. 

„Spielerischer Anfang entwickelt Mut, führt selbst zum Erfinden – Entdecken.“ Den Mut, die Kreativität zu neuen Entdeckungen hat Simone Hamann allemal. Wir dürfen gespannt sein. 

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1) Mel Bochner: The Serial Attitude , in: Artforum International 1967/4 , S. 28 

2) Uwe  M. Schneede Monets Vermächtnis. Serie – Ordnung und Obsession. Ausst. Kat. Hamburger Kunsthalle, Ostfildern 2001, S. 6.

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